Datum 30.05.2020
Autorin/Autor Stefan Dege

Das dauert! Ob Klopapier, der ersehnte Corona-Impfstoff oder die Rückkehr zur Normalität – nichts davon kommt über Nacht. Das nervt gewaltig. Haben wir die Kulturtechnik des Wartens verlernt?

 

Warten auf den Besuch bei den Großeltern, warten auf den Urlaub, warten auf die Zeit nach Corona: Das Warten hat Konjunktur. Aber warten wir nicht ohnehin immer und irgendwo auf irgendwas? Nicht auszuhalten! Aber warum eigentlich? “Warten ist verlorene Zeit”, sagt der Münchener Zeitforscher Karlheinz Geißler, “weil wir die Zeit in Geld verrechnen”. Zeit ist Geld, “Time is money” formulierte einst Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA, in seinem Werk “Ratschläge für junge Kaufleute” das Credo des Industriezeitalters.

Kein Wunder, dass das Warten so ein mieses Image hat. Geißler, von Haus aus Ökonom, hat viel über die Phänomene der Zeit nachgedacht und publiziert: über die Pausen, die Eile, die Gleichzeitigkeit – und eben das Warten. Für die Weltausstellung Expo 2000 in Hannover, erzählt er, hatte ihn der künstlerische Leiter Martin Roth engagiert, um ein Raumkonzept für die Wartebereiche im Themenpark zu entwerfen. Doch bis zur Präsentation konnte das Management nicht warten: Sämtliche Wartezonen wurden an Coca Cola “verkauft” – meistbietend, versteht sich.

Warten, so die kollektive Erfahrung im westlichen Kulturkreis, gilt als Zumutung. Wer auf den verspäteten Zug warten muss, auf die säumige Verabredung oder den freien Tisch im Restaurant, “der wird ungeduldig, nicht selten ungehalten und aggressiv”, schreibt der Kölner Autor André Bosse in einer Betrachtung zum Thema Warten. “Anscheinend funktioniert es nicht, das Warten als geschenkte Zeit zu begreifen”, analysiert Bosse. “Statt sie zu genießen, wird sie zur Qual.” Das könnte an den “Warteräumen” liegen, vermutet Claudia Peppel. Die Psychologin und Romanistin kuratierte 2016 am Berliner Kunstlabor ICI die Themenausstellung “The Waiting Room” (“Der Warteraum”).

 

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