Radiofeature in Deutschlandfunk Kultur mit Jonas Geißler
von Jochen Dreier
17.05.2018

 

 

 

Tick tack, tick tack!

Das klingt irgendwie konstruiert und Einstein wäre damit sicher nicht einverstanden. Doch vielleicht steckt etwas Wahres darin. Um das rauszufinden, müssen wir grundsätzlicher beginnen, mit Jonas Geißler, Zeitforscher und Buchautor, den ich in einem BBC-Studio in Bristol erreiche. Als Soziologe und Berater setzt er sich zusammen mit seinem Vater Karl-Heinz Geißler mit der Zeit auseinander.

“Raum und Zeit hängen zusammen. Und das heißt, wann immer wir unsere Perspektive auf den Raum verändert haben, haben wir auch unsere Perspektive auf die Zeit verändert. Und Raum können wir sinnlich erfassen, Zeit können wir nicht sinnlich erfassen. Deswegen wechseln wir sozusagen die Vorstellungen von Zeit. Und in der Vormoderne, wo die meisten Menschen dachten, die Erde wäre eine Scheibe, da haben sie Zeit anders wahrgenommen als sie es heute tun. Und auf dem Weg dahin gab es, heute würde man sagen, ein paar disruptive Veränderungen.”

Die Erfindung der mechanischen Uhr prägte den Übergang von Vormoderne zur Moderne. Plötzlich war Zeit nicht mehr Qualität bestimmender Moment, wie das Wetter beispielsweise, sondern Quantität. Vorher war es der Rhythmus der Natur, jetzt der immer gleiche Takt der Maschine.

“Die Zeit war frei, und wir konnten sie mit einer neuen Qualität besetzen und das war Geld. Die Natur raus, Geld rein. Und seit wir die mechanische Uhr haben, haben wir den Grundstein für die kapitalistische Ordnung gelegt. Und wenn wir jetzt eine begrenzte Größe, die Zeit, ein Jahr hat immer 365 Tage, mit einer unbegrenzten zusammenbringen, nämlich Geld, dann wird es attraktiv zu beschleunigen, denn damit kann ich mehr Geld und damit mehr Wohlstand erzeugen. Seit wir die Uhr haben, haben wir eine enorme Beschleunigungsgeschichte hingelegt.”

 

Link zur Sendungsseite mit dem gesamten Artikel und Option zum Nachhören