Vom Tempo der Welt – und wie man es überlebt

Karlheinz Geißler, April 2004
Herder
ISBN-10: 3451054078
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Zeitspiel – Kann man Zeit nachspielen?

Bei den meisten Spielen wird es eine Nachspielzeit geben. Es wird sie geben, ohne dass geklärt wäre, ob man Zeit überhaupt nachspielen kann. Die Betrachtungen des Zeitforschers sind so originell, dass viele Fußballfans sie vermutlich als satirisch überzeichnet betrachten würden.

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„Eine erzwungene Begegnung mit uns selbst“

Seit Jahren wird eine Entschleunigung unseres Alltags angemahnt. Durch die Corona-Pandemie ist sie nun plötzlich da. Die Scheinnormalität unserer Gesellschaft zerbröselt. Das Selbstverständnis „Ich hetze, also bin ich“ funktioniert nicht mehr. Doch nichts tun ist so einfach nicht. Was macht das mit uns? Verändert sich unsere Gesellschaft gerade?

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Einfach gut leben?! Wie viel Arbeit braucht der Mensch?

ARD-alpha, 28.01.2019, 20:15 Uhr, 119 Min.

Mit Mirjam Kottmann (Moderatorin), Prof. Dr. Sabine Anselm (Leiterin der Forschungsstelle Werteerziehung und Lehrerbildung an der LMU München), Prof. Dr. Felix C. Brodbeck (Inhaber des Lehrstuhls Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der LMU München), Jonas Geißler (Zeitexperte), sowie Ulrich Schnabel (Wissenschaftsjournalist).

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Davor. Ein Moment.

„Manchmal hat der Moment, bevor etwas geschieht, mehr Zauber als das Geschehen selbst. Vorfreude zum Beispiel, immer beschrieben als schönste Freude.“ So eröffnet das SZ-Magazin im Editorial, dem Vor-Wort, am 09. März 2018. Und setzt fort mit der Aufzählung solcher Momente: „Vor-Lust, Vor-Spaß, Vor-Energie, Vor-Erfolg, Vorspiel, Vorglühen, Vorspeisen.“ Und widmet dem großartigen „Davor“ das Heft.

Das ist eine schöne Idee. Mir zuvorgekommen.

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Takte und Rhythmen

Die Zeit kann unterschiedliche Formen annehmen: Mal warten wir, mal beschleunigen wir, mal verharren wir im Augenblick, genießen die Auszeit oder die kurze Unterbrechung. Oder hadern mit deren heutiger Vielzahl, die uns die Zeiten so zerklüftet und sie uns oft schwer macht.

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Zeit leben, nicht managen. Interview mit Karlheinz Geißler

Karlheinz Geißler ist ein begehrter Mann. Auch mit 73 bietet er Zeitberatungen an, schreibt Bücher, hält Vorträge. Einmal pro Monat führt ihn seine Tätigkeit in die Schweiz. An diesem trüben Spätherbstmorgen nach Winterthur, wo er vor vollem Saal über die kostbare Ressource Zeit spricht, über unsere beschleunigte Gesellschaft und den Nutzen von Pausen.

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Plädoyer zum Innehalten – Time is honey?

In: Pressesprecher – Magazin für Kommunikation

10/2017, von Jens Hungermann

Unsere Arbeitswelt und unsere Art zu kommunizieren verändern sich rasant. Immer mehr Menschen haben die Befürchtung, die steigende Geschwindigkeit könnte sie überfordern. Umso wichtiger ist es, ein eigenes Tempo zu finden.

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Zeitverständnis

 

 

Die neun Zeitaxiome von timesandmore
Wir wissen zwar nicht was Zeit ist, können sie aber so präzise messen wie wenig anderes.

Das was wir Zeit nennen, ist nur unser Bild von dem, was wir für Zeit halten.

Die Zeit ist relativ.

Zeit existiert nur im Plural.

Nichts ist so individuell wie die Zeit ist, denn Zeit ist Leben.

Zeit ist man selbst. Daher tut man das, was man der Zeit antut, sich selbst an.

Der Raum lässt sich überwinden. Die Zeit überwindet uns.

Zeit kann man nicht sparen, nicht managen, nicht verlieren, und erst recht nicht totschlagen. Man kann mit der Zeit überhaupt nichts machen. Außer sie leben.

Es existiert nichts, was nicht zeitlich ist.

 

 

Unser Zeitverständnis
Was „Zeit“ wirklich ist, das wissen wir nicht. Der Mensch besitzt keinen Zeitsinn. Deshalb macht er sich ein Bild von „der Zeit“. Im Laufe der Kulturgeschichte haben sich diese Bilder der Zeit immer wieder grundlegend geändert. Sie variieren von Epoche zu Epoche und von Kultur zu Kultur. Das für die westliche Zeitkultur maßgebende Bild (Modell) der „Zeit“ ist das der Uhrzeit. Wer Zeit sucht, sucht sie heutzutage meist durch den Blick zur Uhr.

Andererseits erfahren Menschen Zeit nicht so, wie die Zeiger der Uhr sie anzeigt. Fünf Minuten können ganz unterschiedlich lang sein, je nachdem, was man macht, erleidet oder erfährt. Daraus ergeben sich Probleme, die wir gerne „Zeitprobleme“ nennen. Üblicherweise wird versucht, diese mit Hilfe von Zeitmanagementratgebern und Zeitmanagementkursen „in den Griff” zu bekommen. Dies führt jedoch häufig nicht zu weniger, sondern zu mehr Zeitproblemen. Insbesondere dann, wenn man, wie im traditionellen Zeitmanagement, die Uhr und nicht die konkrete Zeiterfahrung zur Bewältigung der Zeitprobleme heranzieht.

Denn die Zeit der Uhr ist es ja, die die Menschen unter Zeitdruck setzt. Das Zeitmanagement, ob als Buch oder als Seminar, versucht also den Zeitstreß der Gehetzten durch jenes Mittel zu bekämpfen, das den Zeitstreß verursacht. Das kann nicht funktionieren.

Will man also Zeitprobleme analysieren und bearbeiten (verringern), dann gilt es, mit der Zeitvielfalt umzugehen und nicht nur mit der Uhrzeit. Denn Zeitprobleme sind immer Erfahrungen von Zeitproblemen. Uhren haben keine Zeitprobleme, weil sie keine Erfahrungen machen.

 

 

Zeitgeschichte
Die längste Zeit der Geschichte haben sich die Menschen nicht für Zeit interessiert. Zeit war für sie identisch mit Wetter, was bis heute in den romanischen Sprachen seinen Ausdruck findet (temps, tiempo, tempo = Zeit und Wetter). Die Menschen lebten ehemals im Rhythmus der Natur.

Der Vorteil des rhythmischen Lebens besteht in dessen Flexibilität. Rhythmen folgen dem Prinzip von Wiederholung mit Abweichung. Sie sind nicht starr und bieten Gestaltungsspielräume. Rhythmen setzen aber auch Grenzen. Wenn diese dauerhaft verletzt werden, führt dies zu Zeitproblemen, die wir ökologische, soziale oder gesundheitliche Probleme nennen.

Am Ende des Mittelalters erfanden Mönche die mechanische Uhr, die nicht rhythmisch, sondern taktförmig funktioniert. Ist die Flexibilität Kennzeichen des Rhythmus, so die Inflexibilität Merkmal des Uhrzeittaktes.

Die Erfindung der Räderuhr veränderte das Zeithandeln grundlegend. Zeit wurde zum menschgemachten, vom Naturbezug gereinigten Konstrukt. Der Vorteil der quantitativen, objektiven Zeit der Uhr besteht in der Vergleichbarkeit von Zeitereignissen. Die qualitätslos gemachte Uhrzeit kann mit nicht natürlichen Qualitäten besetzt werden – bevorzugt mit Geld. Das führte in der Folge zur Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaftsform. Banken wurden gegründet, der Fernhandeln blühte auf, die doppelte Buchführung wurde erfunden.

Seitdem prägt die Formel “Zeit=Geld”, die Benjamin Franklin im 18. Jahrhundert in die Welt setzte, die mitteleuropäische Gesellschaft. Die Uhrzeitmenschen sind zugleich Nutznießer und Leidtragende dieser Zeitdynamik. Einerseits hat sich ihr Güter- und Geldwohlstand deutlich erhöht, andererseits aber auch ihre Hetze und Rastlosigkeit. Der Güterwohlstand wurde mit einem Zeitnotstand erkauft.

Das kapitalistische Wirtschaftssystem strebt nach Wachstum und damit nach Beschleunigung. Die Beschleunigung hat jedoch dort Grenzen, wo sie mit der menschlichen und außermenschlichen Natur und deren Rhythmen kollidiert. Zeitprobleme, die sich daraus ergeben, sind Gegenstand unserer Beratung. Dabei wird angestrebt, die objektiv-quantitative Logik der Uhrzeit (Takt) und die subjektiv-qualitativen Naturzeiten der Menschen (Rhythmen) in einen produktiven Zusammenhang zu bringen.

 

 

Wussten Sie eigentlich…
…dass Zeit gar nicht knapp ist und täglich neue nachkommt.

…dass die Stunden die zählen, diejenigen sind, die nicht gezählt werden.

…dass die, die sagen sie hätten keine Zeit, entweder lügen oder tot sind.

…dass es zwar oft fünf vor zwölf ist, aber nicht seltener zwölf vor fünf.

…dass die Formel Zeit ist Geld nicht stimmen kann, da sonst die Arbeitslosen das
meiste Geld besitzen müssten.

…dass man Zeit nicht sparen kann, da es keinen Nachtragshaushalt für Zeit gibt.

…dass es keine Zeit gäbe, wenn es keine Menschen gäbe.

…dass es der Zeit völlig egal ist, ob wir ihr hinterher hetzen oder sie zu uns einladen.

…dass Geld pur genauso wenig satt macht, wie Zeit pur glücklich macht.

…dass Zeit einsilbig ist und trotzdem so viel von ihr gesprochen wird.

…dass man doppelt so schnell arbeiten kann, aber nicht doppelt so schnell nicht
arbeiten kann.

…dass wir uns, je schneller wir werden, immer häufiger verspäten.

…dass die Zeitgewinne heutzutage immer mehr Zeit kosten.

…dass es an der Zeit nichts zu lösen gibt.

…dass Zeit unsere treueste Freundin ist – sie begleitet uns von der Geburt bis zum Tod.

…dass wir immer an der Zeit scheitern werden. Die interessante Frage ist: wie gut
oder schlecht wir scheitern!