Gibt es einen Weg, wie man Zeit am „klügsten“ nutzen kann? Zeitforscher und Unternehmensberater Jonas Geißler möchte in seiner Keynote beim SpaCamp 2018 mit dem Mythos „Zeitmanagement“ aufräumen. Wir wollten vorab schon mehr über dieses brisante Thema wissen und haben Jonas Geißler zum Interview gebeten.

 

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Kommen wir gleich auf den Punkt: Was ist Zeit?

Wenn ich das nur wüsste! Es gibt keine allgemeingültige Definition von Zeit. Das hängt davon ab, wen wir fragen. Der Physiker sagt: eine Rechengröße. Der Philosoph sagt: meine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Der Theologe sagt: der Anlauf zu Ewigkeit. Der Musiker oder Sportler sagt: Zeit ist Rhythmus und Rhythmus ist Bewegung. Für mich ist die Zeit das Leben und Leben findet immer nur jetzt statt.

 

Sie sagen, Zeit kann man nicht sparen, managen und auch nicht verlieren? Man hat aber das Gefühl, das heute alles immer sehr schnell gehen muss. Wie schafft man es, die Zeit so richtig auszukosten?

Das hängt davon ab, was man unter „auskosten“ versteht. Wenn man auf Quantität setzen und möglichst viel Handlungseinheiten pro Zeiteinheit durchführen möchte, braucht man möglichst kurze, kleine Aufgaben, entsprechende Pläne und Listen, Assistenten, sie zu erledigen und alles, was die Effizienz steigert.

Diese Strategie leben wir in vielen Bereichen schon. Es bleibt die Frage und oft das ungute Gefühl, ob dies wirklich eine erfüllte Zeit ausmacht. Zufriedenheit, Gesundheit, Erfüllung, Freude, Resonanz, etc. erreicht man eher über ein bewusstes Zeiterleben – über Verzicht, Fokus und Flow-Erlebnisse.

 

Gemeinsam mit Ihrem Vater, dem Zeitforscher Karlheinz Geißler, haben Sie das Buch „Time is honey: Vom klugen Umgang mit der Zeit geschrieben“. Wie war die Zusammenarbeit?

Jedenfalls nicht immer einfach, aber auf jeden Fall spannend. Uns verbindet eine gemeinsame Basis, was wir zur Zeit denken und was wir über die Zeit zu sagen haben. Im konkreten Zeitverhalten sind wir jedoch sehr unterschiedlich – auch weil wir verschiedenen Generationen angehören. Die Konflikte, die aus dieser Spannung entstanden sind, haben dem Buch, aus meiner Sicht, gut getan. Wir haben stets versucht, eine gute Verbindung zwischen Theorie (das Gebiet meines Vaters) und Praxis (meinem Gebiet) herzustellen.

 

Sie haben sich aktuell mit Ihrer Frau und den zwei Kindern in England eine längere Auszeit gegönnt. Viele würden jetzt wahrscheinlich fragen, wie geht denn das?

Solche Familien-Auszeiten gehören zu unserem Lebenskonzept – das heißt, sie sind uns sehr wichtig und wir sind bereit, andere Dinge dafür zu opfern. Das ist eine wichtige Voraussetzung. Ich bin Unternehmer und habe die Auszeit in unserer Firma timesandmore von langer Hand geplant. Meine Frau hat sich Elternzeit genommen. Und dann ist es natürlich so, dass eine Auszeit viel Arbeit macht.

Wir haben also einiges dafür getan, dass sie möglich wurde. Das kennt man aus der Wellness-Branche vermutlich nur zu gut. Damit sich Menschen entspannen können, müssen sie selbst oder auch andere arbeiten.

 

Bei unserem Telefonat sprachen wir auch kurz über „Andere Kulturen, andere Zeiten (oder Zeitbegriffe)“. Was können wir von welcher Kultur im deutschsprachigen Raum lernen?

Bei Zeitkulturen bin ich immer vorsichtig, nicht in Klischees abzudriften und gleichzeitig liegt in der Übertreibung durch Klischees oft auch die Inspiration, etwas anders zu machen oder auszuprobieren. Was mir im deutschsprachigen Raum manchmal fehlt, ist die Gelassenheit im Umgang mit der Zeit, d.h. weniger Kontrollbedürfnis, eher die Zeit auf sich zukommen zu lassen und die Wellen zu surfen, statt diese beherrschen zu wollen.

Hier können wir von „südlich“ geprägten Kulturen lernen, die eher ein polychrones Zeitverständnis haben. Sie können wir in Südeuropa, Afrika, Süd- und Mittelamerika und in manchen Teilen Asiens finden. Auch kommen mir manchmal die Zeiten des Genusses zu kurz. Zeit für gutes Essen, Austausch, la dolce Vita – da brauchen wir gar nicht so weit blicken, um uns inspirieren zu lassen.

 

 

Sie halten beim diesjährigen SpaCamp in Hessen die Keynote zum Thema „Zeit“. Die Zeit spielt im Spa- und Wellness-Hotel eine sehr große Rolle, denn der Gast sollte im Idealfall entspannen, loslassen, ja sogar die Zeit vergessen. Auch hier liegt Kurzzeitwellness im Trend? Haben wir eine Chance, dass sich Gäste in Zukunft wieder mehr Zeit für Wellness nehmen?

Schwer zu prognostizieren. Was zu beobachten ist, ist dass die Extreme zunehmen und die Vielfalt weiter steigt. Im Übertrag auf die Wellness-Branche hieße dies, sowohl mehr Nachfrage nach schnellen und kurzfristigen Entspannungs-/Detox-Angeboten, als auch nach längeren Formaten – quasi als Gegentrend. Das zumindest wäre meine Hypothese.

Vielen Dank, Jonas Geißler, für die ersten spannenden Einblicke zum Thema „Zeit“, auf Weiteres sind wir dann beim SpaCamp 2018 gespannt!